Teil 5: Nachwuchs im Bäckerhandwerk: Faisal Mehmood aus Pakistan lernt für eine sichere Zukunft
Nicht nur kleine Brötchen backen
Er kommt morgens leicht aus den Federn, steht gern früh auf. Also beste Voraussetzung für den gewählten Job: Denn Faisal Mehmood ist gleich hellwach und packt in der Backstube von Reinhard Pape in Gehrden richtig mit an. „Faisal ist immer pünktlich und selbst wenn wir durch Kundenbestellungen in der Nacht anfangen müssen, er lässt nie auf sich warten“, lobt Bäckermeister Reinhard Pape seinen fleißigen Auszubildenden, den er eigentlich nur durch Zufall einstellen konnte und der nun bald das dritte Lehrjahr beginnt.
Aus Pakistan geflüchtet
Faisal Mehmood stammt aus Islamabad, hat dort auch Abitur gemacht und im Büro gearbeitet. Über die Türkei kam er 2015 nach Deutschland. Geflüchtet vor der prekären Sicherheitslage in seinem Heimatland – „auch dort werden die Taliban und der islamistische Terror immer stärker“ – hat Faisal Mehmood inzwischen in verschiedene handwerkliche Bereiche in Deutschland hineingeschnuppert. Er war Küchenhelfer, hat Fliesen verlegt und in der Tischlerei gearbeitet.
Die ökumenische Flüchtlingshilfe Brakel hat den jungen Mann schließlich an Bäckermeister Reinhard Pape vermittelt. „Mir war gerade eine Auszubildende abgesprungen, und ich suchte händeringend jemanden Neues, das ist alles andere als einfach, die Kollegen suchen ja auch.“ Nach einem mehrmonatigen Praktikum in der kleinen Bäckerei war schnell klar: Faisal Mehmood kann bleiben und sich in Gehrden als Bäcker ausbilden lassen.
Als Bäcker neu anfangen
Sicher keine leichte Situation für den heute 37-Jährigen, noch einmal in einem fremden Land ganz neu anfangen zu müssen. Aber er beklagt sich nicht, im Gegenteil: „Ich will arbeiten, mir gefällt es sehr, und ich bin glücklich in dem kleinen Ort, in dem man einkaufen kann und in dem es sogar einen Arzt gibt“. Seine Frau ist mit den vier Kindern noch in Pakistan geblieben, er hofft, sie nachholen zu können, wenn er seine Ausbildung beendet hat und in den Beruf des Bäckers richtig einsteigt.
Was ihn an der Arbeit in der Backstube gefällt? „Ich arbeitete nicht nur mit den Händen, sondern mit dem Verstand und dem Herzen“, sagt er und lächelt. Ihm gefällt es, Teig zu kneten, die verschiedenen Rezepte für Brot und Brötchen anzuwenden und sich am Ende über die fertig gebackenen Produkte zu freuen. „Genau diese Arbeit kann ich mir vorstellen, um in Deutschland weiterzumachen.“ Faisal Mehmood muss allerdings noch seine Deutschkenntnisse weiter verbessern, um beispielsweise am Ende der Lehrzeit mit den Prüfungsaufgaben zurecht zu kommen.
Leckere Nussecken haben Fans in Berlin und München
Die Bäckerei im Brakeler Ortsteil Gehrden mit angeschlossenem Lebensmittelhandel gehört zu den wenigen Betrieben, die im Kreis Höxter überhaupt noch ausbilden. Von den 19 Bäckereien, die der Innung angeschlossen sind, bilden gerademal fünf Unternehmen aus – und das sind meist die größeren, in denen insgesamt 16 junge Leute zurzeit eine Ausbildung zum Bäcker und zur Bäckerin absolvieren.
„Das ist eine schwierige Situation, und für viele kleine Bäckereien vor allem auf den Dörfern wird es immer schwieriger, in Zukunft zu überleben“, weiß Bäckermeister Reinhard Pape. Denn die Kundinnen und Kunden greifen vermehrt im Supermarkt zu den Backwaren oder kaufen dort ihre Brote und Brötchen in der jeweiligen Filiale der größeren Bäckerei.
Steckbrief Bäcker/Bäckerin:
Voraussetzungen: Zuverlässigkeit, ausreichendes Augenmaß, Fingerfertigkeit, gutes Geruchs- und Geschmackempfinden, Teamfähigkeit, Kreativität und Sorgfalt im Umgang mit Lebensmitteln, Bereitschaft zum „Zupacken“ und zur frühen Arbeit, wenn andere noch schlafen.
Ausbildung: Die duale Ausbildung dauert drei Jahre, rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben. In der Praxis stellen Betriebe überwiegend Auszubildende mit Hauptschulabschluss ein. Aber andere Schulabgänger mit höheren Abschlüssen werden auch gern genommen.
Aufgaben: Bäcker oder Bäckerinnen stellen Brot und Brötchen, Backwaren aus Blätter-, Mürbe- oder Hefeteig, Torten und Süßspeisen, Partygebäck und kleine Gerichte her. Dazu wiegen und messen sie die Zutaten, zum Beispiel Mehl, Milch, Eier, Hefe, Gewürze und Zucker, ab und mischen sie nach Rezept zusammen. Sie überwachen die Teigbildungs- und Gärungsvorgänge und beschicken die Öfen. Schließlich glasieren oder garnieren sie die Waren, um sie zu verfeinern und sie noch appetitlicher aussehen zu lassen. Manche Bäckereien stellen auch kleine Gerichte für den Mittagstisch her.
Perspektiven: Das Bäckerhandwerk bietet einen krisensicheren Beruf und gute berufliche Perspektiven, denn durch handwerkliches Können, Technik und cleveres Marketing sind Bäcker und Bäckerinnen in der Lage, sich immer wieder auf neue Trends und Verbrauchergewohnheiten einzustellen.
Neben der Meister- und Meisterinnenprüfung kann man sich zum technischen Fachwirt und zur technischen Fachwirtin ausbilden lassen. Wer besonders wissbegierig ist, kann noch ein Studium heraufsatteln: Studiengänge in der Lebensmitteltechnologie, in der Lebensmittelchemie oder ganz neu in Mannheim im „Business Management mit Schwerpunkt Bäckereimanagement“ richten sich in erster Linie an künftige Führungskräfte
Stolz auf das Erreichte: Faisal Mehmood (37), Auszubildender im Bäckerhandwerk, freut sich über die selbstgebackenen Brötchen, die frisch aus dem Ofen kommen.
Reinhard Pape allerdings hat sich mit seinen Brötchen, Broten und Backwaren, hergestellt aus regionalen Zutaten von Lieferanten aus der direkten Umgebung, einen guten Namen in der Region gemacht. Seine Nussecken, nach traditionellem Rezept mit Mürbeteigboden hergestellt, begeistern sogar Fans in Berlin, Köln und München. Auch die knusprigen Brötchen und Brote aus Dinkelmehl finden großen Absatz bei Kundinnen und Kunden in der Region.
Chance auf neues Leben
Und Faisal Mehmood hat seinen Anteil am Erfolg der kleinen Bäckerei: „Er knetet den Teig und backt auch ganz selbstständig“, so sein Chef Reinhard Pape. Faisal Mehmood persönlich selbst mag besonders selbstgebackenes Sonnenblumenbrot oder Roggenbrot. Auch an die deutsche Küche traut sich der Neu-Gehrdener inzwischen heran: „Nudeln mit Soße koche ich oft“, sagt er und lacht. Für den 37-Jährigen bedeutet die Bäcker-Ausbildung im Kreis Höxter eine Chance auf ein neues selbstbestimmtes Leben, vielleicht auch irgendwann mit seiner Familie – dann ohne Terror und Gewalt.