Teil 9: Mit Hilfe des Handwerks die Klimawende gestalten
Für das Klima kann man natürlich auf die Straße gehen. Doch lässt sich zusätzlich beruflich mit eigenen Händen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Und genau das macht das Handwerk möglich. Besonders in den Bau- und Ausbaubranchen können Jugendliche ganz unmittelbar am Ausbau der erneuerbaren Energien mitwirken und durch moderne Technologien klimarelevante Aufgaben übernehmen. Die Kreishandwerkerschaft Höxter-Warburg stellt im Folgenden einige Gewerke vor, welche die Energiewende mitgestalten und jeden Tag daran arbeiten, das Leben nachhaltiger und klimafreundlicher zu machen.
Dachdecker-Handwerk: Hoch hinaus und mit besten Aussichten
Schwindelfrei sollte man sein, denn es geht oft hoch hinaus. Aber dann hat man beste Aussichten. Nicht nur, was die Landschaft angeht. „Der Job ist wirklich krisensicher, besitzt viele Facetten und ist auch nicht so einfach zu ersetzen“, betont Jörg Rauscher, Obermeister der heimischen Dachdecker-Innung und Geschäftsführer eines gleichnamigen Traditionsunternehmens direkt an der Weser.
Ob verschiedene Dacharten eingedeckt werden, ob Reparaturen an Schornsteinen anliegen, Außenwände verkleidet, Dachfenster und Dachrinnen montiert werden müssen sowie Solaranlagen eingebaut werden, die Aufgaben des Dachdecker-Handwerks sind abwechslungsreich und führen stets zu unterschiedlichen Herausforderungen. Denn jedes Dach ist anders, jedes Dach hat seine Eigenheiten. „Und dafür gilt es täglich Lösungen zu finden“, so Dachdeckermeister Jörg Rauscher.
Schon immer aufs Dach
Einer seiner pfiffigsten Mitarbeiter ist auch gleichzeitig der jüngste: Elias Koch (16) wusste seit der fünften Schulklasse, dass er aufs Dach wollte. Seitdem hat der Auszubildende systematisch sein Ziel verfolgt – nämlich Dachdecker zu werden. „Ich habe schon stets zu Hause mitgeholfen, den Dachboden mit meinem Vater zusammen ausgebaut“, erzählt der junge Mann. Seitdem war klar, dass Elias Koch eine Ausbildung im Handwerk beginnen wollte. „Mit der Schule hat es mir einfach gereicht“, meint der 16-Jährige. Nach verschiedenen Praktika im Handwerk war die Entscheidung für die Dachdeckerei gefallen.
Höhenangst ist überhaupt kein Thema für den jungen Mann. „Ich bin schon als kleiner Junge die Bäume rauf- und runtergeklettert“, sagt Elias Koch. Dass Wind und Wetter den Handwerkern oben auf dem Dach schon richtig zusetzen können, stört den 16-Jährigen ebenfalls nicht. „Da kann man sich mit entsprechender Kleidung schützen, aber im Büro arbeiten zu müssen, das ist ja gar keine Alternative für mich“, meint Elias Koch, der ganz motiviert jeden Morgen rund 20 Kilometer mit dem Roller vom hessischen Gottsbüren zum Familienbetrieb Rauscher ins niedersächsische Lauenförde braust.
Stabile Ausbildungszahlen
Den Beruf in luftiger Höhe scheinen auch andere Jugendliche spannend zu finden, denn die Ausbildungszahlen können sich in diesem Gewerk entgegen dem sonstigen Trend sehen lassen: In den 19 Ausbildungsbetrieben im Kreis Höxter lernen zurzeit 35 junge Leute (24 waren es im vergangenen Ausbildungsjahr) das Dachdeckerhandwerk. „Die Zahlen haben sich während der Corona-Pandemie bereits stabilisiert, denn da haben viele Jugendliche gemerkt: Im Handwerk brauche ich keine Angst zu haben, kurzfristig meinen Job zu verlieren“, sagt der Dachdeckermeister und Landeslehrlingswart des Landesinnungsverbandes der Dachdecker, der hofft, dass dieser positive Trend anhält.
„Natürlich sollten Bewerberinnen und Bewerber handwerklich begabt sein, die körperliche Anstrengung hält sich inzwischen in Grenzen, schließlich helfen uns moderne Maschinen bei der Arbeit.“ Und die jungen Leute seien schnell begeistert, wenn sie merken, dass es im Handwerk locker zugehe, die Arbeit richtig Spaß mache und sie mit dem Team viel bewegen können, hat Jörg Rauscher immer wieder die Erfahrung gemacht.
Steckbrief Dachdecker-Handwerk:
Voraussetzungen: gute körperliche Konstitution, Schwindelfreiheit, handwerkliches Geschick, Freude am Arbeiten im Freien, Teamfähigkeit, Sorgfalt.
Schulbildung: Um Dachdecker oder Dachdeckerin zu werden, muss man mindestens über einen Hauptschulabschluss verfügen.
Ausbildung: Die duale Ausbildung dauert in der Regel drei Jahre und schließt mit der Gesellenprüfung ab. Während dieser Zeit gibt es die Möglichkeit, zwischen den Schwerpunkten Dachdeckungstechnik, Abdichtungstechnik, Außenwandbekleidungstechnik, Energietechnik an Dach und Wand oder Reetdachtechnik zu wählen. Auf Antrag kann bei entsprechenden fachlichen Leistungen und schulischen Voraussetzungen die Ausbildungszeit verkürzt werden.
Aufgaben: Die rasante Weiterentwicklung auf dem Bausektor eröffnet dem Dachdecker-Handwerk stets neue Arbeitsfelder mit einer Vielzahl von Anwendungstechniken. In dem Beruf werden traditionelle Arbeitstechniken mit den neuesten Erkenntnissen der Bauphysik und Werkstoffkunde verbunden. Dachdecker und Dachdeckerinnen decken Schiefer-, Ziegel-, Bitumen-, Folien-, Kupfer-, Stroh- und Schindeldächer, verschönern Fassaden mit Hilfe von oft sehr anspruchsvollen Schieferdeckungen, montieren Dachfenster, Dachrinnen, Blitzschutz, Solar- und Photovoltaikanlagen. Und sie verkleiden Außenwände und unterstützen bei der energetischen Gebäudesanierung, zum Beispiel durch den Einbau von Dämmschichten. Auch Dachbegrünungen sowie Wartung und Instandhaltung von Dach- und Wandflächen können zu den Aufgaben gehören. Die Arbeiten beginnen oft auch bereits im Keller, wo das Gebäude gegen Feuchtigkeit und Grundwasser abgedichtet wird.
Perspektiven: Dem Dachdeckergesellen oder der Dachdeckergesellin mit Berufspraxis stehen viele Wege offen. Die Meisterprüfung ist eine Möglichkeit, aber auch das anschließende Studium der Architektur oder des Bauingenieurswesen kommen bei der weiteren Karriereplanung in Betracht. Auch Weiterbildungen im Zimmererhandwerk oder in der Technik mit Fachrichtung Bautechnik sowie als Restaurator/in sind möglich.
Beste Aussichten auf die Landschaft des Weserberglandes: Elias Koch (16), Auszubildender im Dachdecker-Handwerk mit dem Aufschweißbrenner auf dem Dach des neuen Kindergartens Lauenförde.
Mehr Einsätze bei Sturmschäden
Was für viele der jüngeren Generation die Entscheidung für eine Ausbildung im Handwerk sicherlich leichter und sinnvoller erscheinen lässt: Dachdeckerinnen und Dachdecker gehören zu den Schlüsselberufen, was die Energiewende angeht. Nicht nur, weil sie vermehrt Photovoltaik- und Solar-Anlagen auf die Dächer bringen, sondern auch weil sie Dächer und Gebäude mit Hilfe ökologischer Materialien energetisch sanieren und dämmen.
Zudem, und das ist ja auch in der Region durch die Wetterkapriolen des Klimawandels wichtiger geworden, müssen Dachdeckerbetriebe immer mehr Sturmschäden an Dächern – siehe Lütmarsen und Ovenhausen – beheben. „Das hat bei uns absolute Priorität“, sagt Jörg Rauscher, der mit seinen zwölf Dachdecker möglichst schnell unterwegs ist, wenn heftige Stürme und Gewitter Dächer und Bausubstanz angreifen. Beraten, installieren und warten heißt es bei den Dachdeckerinnen und Dachdeckern – und das bedeutet in Zeiten der Energiewende: Dieses Handwerk gehört zu den guten Adressen, wenn es um Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie-Einsparung geht.