Teil 7: Traumberuf Friseurin?
Waschen, schneiden, föhnen: Das geht doch schnell und kann nicht so schwer sein? Das Image eines der ältesten Handwerke ist denkbar schlecht geworden und produziert oft glanzlose Schlagzeilen: Lange Arbeitszeiten, geringer Verdienst, Billigsalons, großer Konkurrenzkampf oder schlechte Ausbildungsbedingungen gehören dazu. Nichtdestotrotz: Der Beruf der Friseurin steht nach Arzthelferin und Bürokauffrau immer noch ganz oben auf der Wunschliste junger Frauen. Und doch bleiben immer mehr geeignete Nachwuchskräfte den Friseurbetrieben in der Region fern.
Zu hohe Ansprüche?
Während in den 19 Ausbildungsbetrieben im Kreis Höxter im zweiten und dritten Lehrjahr insgesamt noch 25 Auszubildende lernen, haben seit 1. August 2022 gerade einmal acht junge Frauen ihr erstes Ausbildungsjahr im Friseurhandwerk begonnen. „Das sind schwierige Zeiten“, bestätigt Nadine Richter, Lehrlingswartin der Friseurinnung Höxter-Warburg. Die Gründe seien vielfältig: Vom Elternhaus – „Lerne mal etwas, wo du mehr verdienst“ – über das Schulsystem mit zu wenig praktischen Einblicken ins Berufsleben bis hin zu hohen Ansprüchen der Heranwachsenden sei alles dabei, was beim Zusammenarbeiten in den Friseursalons auf Dauer Probleme schaffe.
„Viele Auszubildende wissen oft nicht, wie man mit den Händen arbeitet, und sie haben nicht selten eine ganz andere Erwartungshaltung von den Lehrinhalten im Friseurhandwerk“, weiß die Chefin von Richter´s Haarbude & Barbers in Dalhausen. „Denn gerade im ersten Ausbildungsjahr fängt man nicht gleich als großer Stylist oder Stylistin an, sondern muss sich erst einmal im Beruf orientieren von der Salon-Hygiene bis hin zum Kunden-Management“. Sprich: Es geht nicht gleich direkt an die Köpfe der Kundinnen und Kunden. Und genau das führe in den Betrieben oft zu Kommunikationsproblemen und zu Enttäuschungen auf beiden Seiten.
Als „Barberella“ im Einsatz
Wer jedoch kreativ ist, sich richtig reinhängt, gern Neues ausprobiert und vor allem ein Gespür für Menschen hat, für den ist das Friseurhandwerk ein echter Traumberuf. Das sieht auch July Ludwig aus Dalhausen so. Die 20-Jährige ist gerade frischgebackene Gesellin und arbeitet mit viel Elan bei Richter´s Haarbude. „Ich wollte immer etwas Modisches machen, etwas, was mit Trends und Menschen zu tun hat“, sagt July Ludwig. Und sie habe ein bisschen geschwankt, ob sie nicht den Beauty-Bereich wählt und später als Visagistin arbeitet. „Mit Haare etwas Tolles zu machen, von der Idee über die Beratung bis zur Umsetzung, das ist allerdings viel schöner“, hat sie die Erfahrung gemacht.
Außerdem sorgt sie nicht nur bei den Damen für frische Farbe und einen schicken Schnitt, July Ludwig hat sich bereits im Barber-Bereich des Salons einen Namen gemacht. Als ausgebildete „Barberella“ stylt sie nicht nur die Köpfe der Herren, sondern gibt auch deren Bärten die optimale Pflege und den richtigen Schliff. „In diesen Bereich habe ich mich richtig reingefuchst und das macht mir jetzt großen Spaß“, sagt die 20-Jährige und ergänzt: „Die männliche Kundschaft ist sehr entspannt und unkompliziert.“
Steckbrief Friseur-Handwerk:
Voraussetzungen: Gute Umgangsformen, kontaktfreudig, Sinn für Form und Farbe, handwerkliches Geschick, Interesse an Mode und aktuellen Trends, kreative Ideen.
Schulbildung: Rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben. In der Praxis stellen Betriebe oft Auszubildende mit Hauptschulabschluss ein. Etwa ein Drittel der Ausbildungsanfänger hat einen mittleren Abschluss und nur sehr wenige Azubis mit (Fach-)Abitur oder ohne Abschluss machen eine Ausbildung zum Friseur.
Ausbildung: Die Ausbildung zum Friseur und zur Friseurin dauert in der Regel drei Jahre. Auf Antrag kann bei entsprechenden fachlichen Leistungen und schulischen Voraussetzungen die Ausbildungszeit verkürzt werden. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung mit der Gesellenprüfung kann die Meisterprüfung abgelegt werden.
Aufgaben: Friseure und Friseurinnen waschen, pflegen, schneiden, färben und frisieren Haare. Sie beraten Kunden individuell in Fragen der Frisur, der Haarpflege sowie des Haarstylings, pflegen Hände, gestalten Fingernägel sowie Make-up und verkaufen kosmetische und Haarpflegeprodukte. Massagetechniken für den Kopf sind oft gefragt. Auch die Pflege und das Styling von Bärten gehört inzwischen zu vielen Salons.
Perspektiven: Die erfolgreiche Meisterprüfung bietet den Friseuren und Friseurinnen die Möglichkeit, einen eigenen Betrieb zu gründen oder zu übernehmen. Bewerben kann man sich auch in Wellness-Hotels, bei Theater- und Filmproduktionen oder auch in Modelagenturen. Auf dem Beauty-Markt gibt viele Möglichkeiten, sein Wissen zu verkaufen und kreativ Fuß zu fassen: Qualifizierungsmöglichkeiten von der Weiterbildung zum Coloristen und Coloristin zum Experten und zur Expertin der Haarverlängerung ebenso wie im Salonmanagement gehören ebenso dazu wie Seminare und Kurse in der Kosmetik und Visagistik. Und auch ein Studium zum Bachelor of Arts Business Administration (B.A.) ist möglich.
Lea Lavarino
Sie ist überglücklich, in ihrem Traumberuf lernen zu dürfen: Lea Lavarino ist erst 15 Jahre jung, aber sie hat ein großes Ziel – sie will Friseurin werden. Am Übungskopf beweist sie hier ihr Geschick, mit Haaren umzugehen.
July Ludwig
Frischgebackene Gesellin: July Ludwig (20) weiß, wie man Kundinnen und Kunden modisch richtig stylt. Manchmal zeigt sie auch an den Haaren von Chefin Nadine Richter, was sie kann.
Talente können sich ausleben
Junge Talente bekommen im Friseurhandwerk immer eine Chance. So wie Lea Lavarino aus Höxter. Vor ein paar Jahren noch hat die 15-Jährige ihre Puppen frisiert und regelmäßig neu umgestylt. Nach einem erfolgreichen Schülerpraktikum gab Friseurmeisterin Nadine Richter der jungen Höxteranerin eine Chance. „Sie hat sich mit so viel Herzblut für eine Ausbildung beworben, dass ich denke, dass sie wirklich diesen Beruf ausüben will“, meint die Lehrlingswartin, die dieses Jahr sogar unter neun Bewerbungen auswählen konnte. Für Lea Lavarino ist die Ausbildung zur Friseurin wie ein Sechser im Lotto. „Ich bin nach der neunten Klasse von der Schule abgegangen und habe einfach versucht, einen Platz in meiner Traumausbildung zu erhalten“, erzählt die 15-Jährige. „Es hat geklappt, und ich darf schon viel machen“, strahlt sie und wendet sich wieder dem Übungskopf und den Lockenwickeln zu. Hochsteck-Frisuren, da habe sie am meisten Lust zu.
Lehrlingswartin und Friseurmeisterin Nadine Richter ist nach wie vor überzeugt: “Wer seine Arbeit liebt, wird in seinem Beruf als Friseur oder Friseurin erfolgreich sein.“ Und sie macht vielen Jugendlichen, die noch unsicher in ihrer Berufswahl sind, richtig Mut, etwas Kreatives zu lernen. Denn: In vielen hochkarätigen Friseursalons in der Region, in denen dem Nachwuchs eine umfassende und zukunftsträchtige Ausbildung und auch Weiterbildung geboten werde, gebe es stets eine Vielzahl an Perspektiven für eine erfüllte Karriere mit anständigem Verdienst.