Ist eine Impfpflicht unvermeidlich?
Aufgrund der Deltavariante hat die Wissenschaft den Glauben an eine Herdenimmunität aufgegeben. Jetzt müssen sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen, um schwere Verläufe, Todesfälle und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Die Bereitschaft zur Immunisierung ist bei der Bevölkerung aber auf einen neuen Tiefststand gesunken.
Wie in den letzten Monaten fast immer, wenn es um eine konsequente Haltung zur Impfung und deren Durchsetzung geht, sind die politischen Entscheider wegen der nahenden Bundestagswahl unentschlossen.
Egal, ob 2 G (genesen oder geimpft) oder 3 G (genesen, getestet oder geimpft), verpflichtende Selbsttests von Arbeitnehmern, Kostentragung von Tests für Ungeimpfte oder Quarantäne bei Einreise, vieles ist diskutiert, genauso oft verworfen oder in abgeschwächter Form in die letzten Coronaschutzverordnungen eingeflossen. Die Politik wird sich, wenn sie eine höhere Impfquote ernsthaft anstrebt, jetzt klar und eindeutig positionieren müssen – und zwar noch vor der Bundestagswahl!
Lustige Plakate der Impfkampagne „Ärmel hochkrempeln“ mit Bildern von impfwilligen Prominenten allein helfen nicht. Auch die Kombination von Bratwurst, Einkaufsgutschein und Impfangebot scheint mir persönlich nicht ausreichend. Die Existenzvernichtung von Handwerkern, Dienstleistern, Gastronomie und Veranstaltern ist dabei nicht einmal das stärkste Argument.
Es geht aber um mehr: Zum Schutz der Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, zum Schutz der Entwicklung und Chancen unserer Kinder und Jugendlichen, die wieder ohne Einschränkung in Kindergärten und Schulen gehen sollen, aber auch im Interesse der Freiheit jedes einzelnen, halte ich die Einführung einer Impfflicht für sinnvoll. Zwar hat jeder Mensch in unserem Land das Recht, sich mit Corona als willentlich Ungeimpfter zu infizieren, aber in dem Augenblick muss dieses Freiheitsrecht, sich nicht impfen zu lassen, zurücktreten, wenn er oder sie mit seiner Verweigerungshaltung andere wehrlose Menschen gefährdet.
In Deutschland hat es schon öfter eine Impfflicht gegeben, etwa bei der Pockenimpfung zwischen 1949 und 1975. Seit 2020 gibt es eine Impflicht gegen Masern für Kindergartenkinder, Beschäftigte im Gesundheitswesen oder Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Andere europäische Länder wie Frankreich, Griechenland oder Italien erhöhen aktuell massiv den Druck auf die Gruppe der Ungeimpften.
Der französische Präsident Macron hat eine Impfpflicht für alle Mitarbeiter von Krankenhäusern, Altenheimen oder Pflegeheimen verkündet, bei Verweigerung droht Kündigung. Aber auch für alle anderen Franzosen und Französinnen, die älter als zwölf Jahre sind, gibt es ohne aktuellen kostenpflichtigen PCR Test oder Impfnachweis keinen Zugang mehr zu Restaurants oder Cafés, Reisebussen oder Zügen. Griechenland plant ähnliche Methoden. Allein diese Ankündigung hat in kürzester Zeit zu erheblich höheren Impfquoten in Frankreich geführt.
Italien hat ab 1. September für alle Lehrkräfte an Schulen und Universitäten in Italien den sogenannten Greenpass eingeführt – ein Nachweis, dass sie gegen Covid geimpft sind oder eine Covid-Erkrankung überstanden haben. Als Alternative ist ein negativer Corona-Test zugelassen, wenn er nicht älter als 48 Stunden ist. Wer dies nicht vorlegen kann, darf nicht unterrichten und wird dann auch nicht mehr bezahlt.
Warum bekommt Deutschland den Schutz der Bevölkerung und die Wiedererlangung der individuellen Freiheit durch eine flächendeckende Impfung nicht in den Griff? Wenn es weiterhin an der notwendigen Einsicht einer großen Gruppe unserer Gesellschaft fehlt, dann bleibt nichts anderes übrig, als auf politischem Weg eine Impfflicht einzuführen – zum Wohle aller! Wir haben es selbst in der Hand, den kommenden Herbst ohne eine dramatische Entwicklung der Coronazahlen mit allen damit verbundenen Einschränkungen zu überstehen. Noch können wir es ohne Zwang schaffen – wenn alle mitmachen!